Vom Feld geht unsere Nummer 1

Dirk Barthel

Als Sponsor stieg er 1989 ein. Zum Ersten Vorsitzenden kürte ihn der Verein zehn Jahre später. Dirk Barthel ­prägte Altona 93 wie nur wenige. Vor wenigen Tagen hat der 82-Jährige die ­Verantwortung für die Geschicke des AFC abgeben – und ist seither Ehrenvorsitzender. Ein Gespräch über Balkonlogen, das magische Ottensener Dreieck und Streitgespräche am Firmentisch 

Interview: David Schumacher, Sven Taucke Fotos: Sven Taucke 

 

Gehen wir zurück auf Start. Wie kamst du zum AFC?
Ich bin in der Nähe aufgewachsen, im Rulantweg. Meine Eltern haben dort dreißig Jahre gewohnt, in einem SAGA-Haus, als Mieter. Wir sind schon früh gern zur AJK gegangen. Die Griegstraße war bei jedem Heimspiel voller Menschen. 5000 Zuschauer sind eben doch ein paar mehr als 2000, die wir heute haben. Es gab Spiele, die ausverkauft waren.

 

Und dann kamst du nicht mehr rein?
Meine Eltern hatten Bekannte mit einer Wohnung im angrenzenden Friedrich-Ebert-Hof. Deren Balkon lag so, dass man eine Hälfte des Spielfelds sehen konnte. Dort waren wir dann zu Besuch – und mehr als einmal fiel ein Tor, das wir nicht sehen konnten. Das habe ich nie vergessen. 

 

Hattest du einen Stammplatz auf der AJK?
Dort, wo die Pappeln stehen. Ich wollte nah dran sein, wenn die Tore fallen. 

 

Dein Vater hat das Familienunternehmen aufgebaut. War er auch schon AFC-Sponsor?
Ich weiß noch, es gab einen Herrn, der besuchte uns immer. Mit ihm vereinbarte mein Vater das. Keine Werbung, eher kleinere Zuwendungen. 

 

Hast du je davon geträumt, hoch­klassig zu spielen?
Nein. Ich spielte zwar für kurze Zeit in einer sogenannten Jungmannschaft. Ich war ein guter Linksfuß, auch schon mal im Tor. Aber mir war klar: Das ist nur ein Hobby. Als Erwachsene haben wir uns am Wochenende getroffen, auf einem Platz in Othmarschen, immer um halb drei. Da waren Leute mit allen möglichen Hintergründen. Einige von der Reederei, auch Ärzte. Einer legte immer seinen Pieper neben das Tor und sagte dem Torwart: Wenn’s piept, sag mir Bescheid, ich bin im Notdienst. 

 

Du hast Altona eine Weile aus den Augen verloren.
Ja, zum Ingenieurstudium ging ich fort. Ich kam zurück, stieg in die Armaturen­firma meines Vaters ein. Und eines Tages, 1989 muss das gewesen sein, wurde ich nach einem Heimspiel zur Pressekonferenz mit eingeladen. Das fand ich aufregend. Dort hieß es, es fehle noch ein Brustsponsor. Da bin ich dann spontan eingesprungen. Mit kleinem Geld fing das an, ohne festen Vertrag. Und mit der Zeit wurde das Engagement größer. 

 

Was war dein erstes Amt?
Ich war ein paar Jahre Sportwart, verantwortlich für die Anlagen, Hallen und Gebäude. Von denen gab es mehrere im Viertel, da musste man die Nutzung mit Stadt und Bezirk abstimmen. Und eben die Adolf-Jäger-Kampfbahn als eigene Spielstätte betreuen. Die wurde von ­vielen Mannschaften genutzt, zum ­Beispiel von der Frauenmannschaft.  

 

Viel mehr Betrieb als heute. Gab’s auch mal Stress?
Kam mir nicht so vor, das war ein ruhiger Job. Heute ist das anstrengender.  

 

Und dann aber: Erster Vorsitzender – als Hauptsponsor. Kam das in Konflikt miteinander?
Zunächst war es so, dass führende Leute im Verein mich gefragt haben. Mein Ding war es eigentlich nicht, so in der Öffentlichkeit zu stehen. Und dann diese ganzen Versammlungen und Termine. 

 

Hat deine Familie Einspruch erhoben?
Für die war das okay. Es lag ja alles in einem kleinen Dreieck. Ich wohne ganz in der Nähe, die Firma lag am Klopstockplatz. Und die Doppelrolle als Sponsor und Vorsitzender – ja, darüber haben wir nachgedacht, ob das ein Problem ­werden könnte. Aber nur kurz. Schaut mal, so sah unsere Würstchen­bude damals aus! 

 

Dirk Barthel hat ein gebundenes Fotobuch zum Interviewtermin mitgebracht. Seine Frau hat es ihm vor einiger Zeit erstellt und geschenkt. Es enthält Fotos, Zeitungsartikel – Erinnerungen aus vielen Jahrzehnten. Dirk blättert und stößt auf Bilder einer alten Sitzplatztribüne im Volksparkstadion. 

Dirk Barthel liest

Dirk Barthel blättert in Seiten voller Erinnerungen. Das Fotobuch hat ihm seine Frau geschenkt. 

 

Als das Stadion dort modernisiert wurde, haben wir die alten Sitze ausgebaut, um sie auf der AJK zu verwenden. Zuvor hatten wir hier noch Holzbänke auf der Tribüne. Sieht man auf diesem Bild hier. 

 

Spricht für gute Beziehungen zum HSV. Sind auch Freundschaften entstanden zu Amtsträgern in anderen Vereinen?
Eher nicht. Ich rede mit vielen, aber ich pflege einen zurückhaltenden Ton. Manche sagen: Ich bin zu gut für diese Welt. 

 

Zoff gab’s aber auch hin und wieder. Zum Beispiel vor fünf Jahren, als Teammanager Andreas Klobedanz hinwarf und kurz darauf Trainer Berkan Algan gefeuert wurde.
Das war ein Ende mit Schrecken, aber so etwas gehört dazu. Vor wenigen Tagen habe ich Klobedanz getroffen, wir reden freundlich miteinander. Auch mit Berkan habe ich neulich gesprochen. Wir haben ein gutes Verhältnis. Auch wenn Dinge vorgefallen sind, über die ich nicht sprechen werde.  

Dirk Barthel beim Aufräumen 1994 (l.) und 2025 mit dem ehrenamtlichen Greenkeeper Jürgen Krohn

 

Kein Beispiel?
Okay… An eine Sache erinnere ich mich noch gut. An einem Tisch in meiner Firma saßen eines Tages Berkan Algan, noch als Spieler, und Andreas Prohn, ­damals Trainer. Es ging um die Frage: Wer von beiden macht Schluss bei Altona? Die haben sich wirklich bekabbelt. 

 

Damals ging Berkan – er kehrte drei Jahre später zurück. Ein Vorsitzender muss auch moderieren zwischen widerstreitenden Kräften.
Das ist so. In der Firma arbeite ich mit vielen Mitarbeitern zehn, zwanzig Jahre zusammen, wir hatten auch schon Jubiläen für fünfzig Jahre. Im Verein ist das oftmals anders. 

 

Du warst lange Jahre Unternehmer und Vereinsvorsitzender zugleich. Wenn du morgens aufgestanden bist, hast du da zuerst an Barthel Armaturen gedacht oder an Altona 93?
Das ging schnell ineinander über. In der Firma habe ich auch oft an Altona 93 ­gedacht. Leute marschierten rein und raus, es gab Spielergespräche, Trainergespräche. Und zeitweise kamen ja noch drei Lokale hinzu, die ich hatte. „Das Schiffchen“ kennen vielleicht noch viele. Keine Ahnung, was mich damals geritten hat. In der Firma beschäftigten wir ja auch einige Spieler. 

 

Ging das gut?
In Firma wie Verein galt: Wenn jemand die Qualität nicht hat, nehmen wir ihn nicht. Andreas Prohn zum Beispiel ist noch immer bei uns beschäftigt. Der kam Anfang der 90er-Jahre aus Rostock nach Altona und suchte eine Wohnung. Am Klopstockplatz hatten wir damals einige Einheiten, er ist in eine eingezogen, spielte fünf Jahre für uns und wurde dann Trainer. Als mein Sohn die Firma übernahm, sagte er: Wir beschäftigen einen Spieler nur noch, wenn er keine Aussicht hat, Profi zu werden. 

 

Klar, dann würde die Firma ihn bald verlieren.
Na ja, ein Technischer Sachbearbeiter war dann doch dabei, der wurde letztlich Profi in der 3. Liga. (Die Rede ist von Ole Wohlers, der momentan beim SV Wehen Wiesbaden spielt – die Red.) 

 

Hast du jemals kalkuliert, welchen Nutzen das Sponsoring für die Firma hat?
Nein, das lässt sich kaum ermessen. Wir stellen ja keine Armaturen her, die man in sein Bad einbaut. Wir beliefern Schiffbau und andere Industrien. Unsere Kunden sind oftmals große Werften. Ich sagte mir immer: Dort arbeiten auch viele Fußballinteressierte. Die kommen her und sehen die Werbung auf Trikots und an den Banden. Und daraus ergibt sich vielleicht etwas Geschäftliches. 

 

Einmal, 2009, ging es arg schief mit dem Geschäft: Fehler bei den Spielermeldungen, Lizenz für die Regionalliga entzogen. Dem „Abendblatt“ sagtest du kürzlich, das sei nicht absichtlich passiert. Was war es dann? Fahrlässigkeit? Fehlende Kontrolle?
Fehlende Kontrolle, würde ich sagen. Die Klarsicht hat gefehlt. Und schon stand ein sechsstelliger Betrag im Raum. Aber Schwarzgeld, das haben wir nie ­gemacht. Das wird vielen Vereinen nachgesagt. Aber wenn das echt so wäre, würde das auch herauskommen. 

 

Was hat das in dir verändert?
Da stehen Sachen in der Zeitung, da macht man sich schon Gedanken. 

 

Schlagzeilen machte auch der Verkauf der AJK 2007. Der Umzug wird noch Jahre dauern. Wie gehst du damit um?
Ich bin eben der letzte von denen, die den Vertrag damals unterschrieben haben. Der letzte Mohikaner. Wir fühlten uns unter Druck, Geld zu erlösen, um das Stadion zu sanieren. Sicher war unser größter Fehler, dass wir keine Wertsteigerungsklausel in den Vertrag schrieben. 

 

Die hätte bewirkt, dass der Verein nachträglich mehr Geld bekommen hätte. Hast du dich als Vorsitzender in sportliche Belange eingeschaltet?
In der Regel nicht. Man kann Empfehlungen aussprechen. Aber anders als in einem Familienbetrieb gibt es im Verein viele Leute, die sich besprechen müssen. Vor einer Jahreshauptversammlung muss man sich wochenlang Gedanken machen: Was müsste wir vortragen? Was läuft gut, was schlecht? Das empfand ich manches Mal als Belastung. 

 

Warum hast du dich diese Woche nicht als Vorsitzender zur Wahl gestellt?
Das Alter. Ich bin jetzt über 80. Vielleicht kann man noch US-Präsident sein, aber beim AFC reicht es jetzt. 

 

Manche fragen sich: Warum hat Dirk das Amt nicht früher aufgegeben? Immerhin warst du an Krebs erkrankt.
Das stimmt, ich habe ein Wahnsinnsglück, dass ich jetzt gesund bin. Einer Ärztin kam ein Blutwert verdächtig vor. Ich wandte mich an Professor Burkhard Göke, damals Chef des UKE. Den kannte ich, weil er nicht nur Schalke-, sondern auch Altona-Fan ist. Der half mit, dass ich gut behandelt wurde. Einige Zeit ging es mir richtig schlecht, dazu noch die Isolation in der Corona-Pandemie. 

 

Eben. Trotzdem stelltest du dich 2023 noch einmal zur Wahl.
Wisst ihr, was dazu beitrug? Dass meine Genesung so unerwartet schnell und steil verlief. Da dachte ich: Es ist noch nicht vorbei, ich kann noch einmal in eine Ehrenrunde. 

 

Die Mitgliederversammlung hat dich zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Nach unseren Recherchen wurden erst zwei Menschen diese Ehre zuteil. Wie willst du das Amt ausfüllen?
Ich bin wohl eine Art Berater. Ich habe weiter ein Stimmrecht. Und vielleicht kann ich mit meiner Art noch Gutes bewirken. Ich glaube, ich kann ganz gut mit Menschen umgehen. 

 

 

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